Bürgerverein Sasel-Poppenbüttel von 1955 e.V.
Gedichte
Eine schöne Idee unseres Mitgliedes ChrB: eigene oder Lieblingsgedichte unserer Mitglieder sammeln
Sicherlich haben Sie auch Lieblingsgedicht. Bitte per e-Mail: internet@buergerverein-sasel-poppenbüttel.de
Von unserem Mitglied: Werner Lau
Die Alster
Befördrer vieler Lustbarkeiten,
Du angenehmer Alsterfluß!
Du mehrest Hamburgs Seltenheiten
Und ihren fröhlichen Genuß.
Dir schallen zur Ehre,
Du spielende Flut!
Die singenden Chöre,
Der jauchzende Mut.
Der Elbe Schifffahrt macht uns reicher;
Die Alster lehrt gesellig sein!
Durch jene füllen sich die Speicher;
Auf dieser schmeckt der fremde Wein.
In treibenden Nachen
Schifft Eintracht und Lust,
Und Freiheit und Lachen
Erleichtern die Brust.
Das Ufer ziert ein Gang von Linden,
In dem wir holde Schönen sehn,
Die dort, wann Tag und Hitze schwinden,
Entzückend auf- und niedergehn.
Kaum haben vorzeiten
Die Nymphen der Jagd,
Dianen zur Seiten,
So reizend gelacht.
O siehst du jemals ohn' Ergötzen,
Hammonia! des Walles Pracht,
Wann ihn die blauen Wellen netzen
Und jeder Frühling schöner macht?
Wann jenes Gestade,
Das Flora geschmückt,
So manche Najade
Gefällig erblickt?
Ertönt, ihr scherzenden Gesänge,
Aus unserm Lustschiff um den Strand!
Den steifen Ernst, das Wortgepränge
Verweist die Alster auf das Land.
Du leeres Gewäsche,
Dem Menschenwitz fehlt!
O fahr' in die Frösche;
Nur uns nicht gequält!
Hier lärmt, in Nächten voll Vergnügen,
Der Pauken Schlag, des Waldhorns Schall;
Hier wirkt, bei Wein und süßen Zügen,
Die rege Freiheit überall.
Nichts lebet gebunden,
Was Freundschaft hier paart.
O glückliche Stunden!
O liebliche Fahrt!
Friedrich von Hagedorn
(ausgewählt von unserem Mitglied Günther Quaas
erstmals gehört auf dem Literaturrundgang des Literaturkreises am 3.7.2023 vorgetragen von Frau Hagedorn, organisiert von unserem Mitglied Lieselotte Schulz)
Der November
Solchen Monat muß man loben:
Keiner kann wie dieser toben,
keiner so verdrießlich sein.
Und so ohne Sonnenschein!
Keiner so in Wolken maulen,
keiner so mit Sturmwind graulen!
Und wie nass er alles macht!
Ja, es ist `ne wahre Pracht!
aus: Heinrich Seidel "Novemberreime"
vorgeschlagen von unserem Mitglied
Monika Markwardt
Von Katzen
Vergangnen Maitag brachte meine Katze
Zur Welt sechs allerliebste kleine Kätzchen,
Maikätzchen,alle weiß mit schwarzen Schwänzchen.
Fürwahr, es war ein zierlich Wochenbettchen!
Die Köchin aber, Köchinnen sind grausam,
Und Menschlichkeit wächst nicht in einer Küche -
Die wollte von den sechsen fünf ertränken,
Fünf weiße, schwarzgeschwänzte Maienkätzchen
Ermorden wollte dies verruchte Weib.
Ich half ihr heim! - Der Himmel segne
Mir meine Menschlichkeit! Die lieben Kätzchen,
Sie wuchsen auf und schritten binnen kurzem
Erhobnen Schwanzes über Hof und Herd;
Ja, wie die Köchin auch ingrimmig drein sah,
Sie wuchsen auf, und nachts vor ihrem Fenster
Probierten sie die allerliebsten Stimmchen.
Ich aber, wie ich sie so wachsen sahe,
ich preis mich selbst und meine Menschlichkeit. -
Ein Jahr ist um, und Katzen sind die Kätzchen,
Und Maitag ist's! - Wie soll ich es beschreiben,
Das Schauspiel, das sich jetzt vor mir entfaltet!
Mein ganzes Haus, vom Keller bis zum Giebel,
Ein jeder Winkel ist ein Wochenbettchen!
Hier liegt das eine, dort das andre Kätzchen,
In Schränken, Körben, unter Tisch und Treppen,
Die Alte gar - nein, es ist unaussprechlich,
Liegt in der Köchin jungfräulichem Bette!
Und jede, von den sieben Katzen
Hat sieben, denkt euch! sieben junge Kätzchen,
Maikätzchen, alle weiß mit schwarzem Schwänzchen!
Die Köchin rast, ich kann der blinden Wut
Nicht Schranken setzen dieses Frauenzimmers;
Ersäufen will sie alle neunundvierzig!
Mir selber, ach, mir läuft der Kopf davon -
O Menschlichkeit, wie soll ich dich bewahren!
Was fang ich an mit sechsundfünfzig Katzen! -
Theodor Storm
(ausgewählt von unserem Mitglied Günther Quaas)
Die Frösche (Goethe)
Ein großer Teich war zugefroren;
Die Fröschlein, in der Tiefe verloren,
Durften nicht ferner quaken noch springen,
Versprachen sich aber im halben Traum:
Fänden sie nur da oben Raum,
Wie Nachtigallen wollten sie singen.
Der Tauwind kam, das Eis zerschmolz,
Nun ruderten sie und landeten stolz
Und saßen am Ufer weit und breit
Und quakten wie vor alter Zeit.
Der Schwan (Rilke)
Diese Mühsal, durch noch Ungetanes
schwer und wie gebunden hinzugehn,
gleicht dem ungeschaffnen Gang des Schwanes.
Und das Sterben, dieses Nichtmehrfassen
jenes Grunds, auf dem wir täglich stehn,
seinem ängstlichen Sich-Niederlassen —:
in die Wasser, die ihn sanft empfangen
und die sich, wie glücklich und vergangen,
unter ihm zurückziehn, Flut um Flut;
während er unendlich still und sicher
immer mündiger und königlicher
und gelassener zu ziehn geruht.
(Vorgeschlagen von Elfie Schröder-Czerny und Ewald Czerny)
Seltsam im Nebel zu wandern
Seltsam, im Nebel zu wandern!
Einsam ist jeder Busch und Stein,
Kein Baum sieht den andern,
Jeder ist allein.
Voll von Freunden war mir die Welt,
Als noch mein Leben licht war;
Nun, da der Nebel fällt,
Ist keiner mehr sichtbar.
Wahrlich, keiner ist weise,
Der nicht das Dunkel kennt,
Das unentrinnbar und leise
Von allen ihn trennt.
Seltsam, Im Nebel zu wandern!
Leben ist Einsamsein.
Kein Mensch kennt den andern,
Jeder ist allein.
(von unserem Mitglied GQ - Herrmann Hesse)
Welkes Blatt
Jede Blüte will zur Frucht,
Jeder Morgen Abend werden,
Ewiges ist nicht auf Erden
Als der Wandel, als die Flucht.
Auch der schönste Sommer will
Einmal Herbst und Welke spüren.
Halte, Blatt, geduldig still,
Wenn der Wind dich will entführen.
Spiel dein Spiel und wehr dich nicht,
Laß es still geschehen.
Laß vom Winde, der dich bricht,
Dich nach Hause wehen.
Hermann Hesse
vorgeschlagen von unserem Mitglied ChrF.
Sommer Ade
Nun bist bald ganz da, bist noch im Übergang.
Hast noch Vieles zu bieten ,was uns erfreut.
Wer hätte nicht Freude an all dem
leckeren schmackhaften Obst.
Den Früchten des Feldes und der Bäume.
Das Licht ist schon matter geworden, nicht mehr so stechend.
Morgennebel tauchen alles in geheimnisvolle Unwirklichkeit.
Und die Spinnenweben des Altweibersommer glitzern in der
Morgensonne.
Überall zeigt sich der Wandel;
wenn die Pilze schießen ,
ist der Boden für sie bereitet.
Die ersten bunten Tupfer auf den Blättern künden ihr baldiges Fallen.
Auch in uns spüren wir den Wandel...mit leichter Wehmut
(von unserem Mitglied KS)
Herbst des Lebens
Die Tage im September ergreifen stets
Die Tage im September ergreifen stets mein Herz-
Sie brachten so viel Freude,
doch gleichfalls so viel Schmerz.
Das Leben und den Tod erbrachten sie zugleich.
Sie machten mich viel ärmer-
Und auch unendlich reich.
Des Lebenswogen brausten
Und fegten über mich.
Ein Kind ward mir geboren-
Mein Mann ließ mich im Stich.
Der Tod hat ihn genommen -
Sechs Jahre ist es her.
Die Tochter ist mir Freude,
Und wird es täglich mehr.
(von unserem Mitglied KS)
Die Moorkönigin
Das Moor hat mich verzaubert,es war um mich gescheh'n.
Dort in den hohen Binsen-
Da hab' ich sie gesehen!
Sie tanzte in den Wogen aus lichtem Binsengras-
Wie war ich ihr so nahe,
Ganz ohne Unterlaß.
Dort an dem Heil'gen Wege
Tief in des Moores Quell,stieg sie mir in die Seele,
Erleuchtete mich hell.
Und in der Heil'gen Messe,
Es war so wunderbar,
Stieg sie vom Sockel nieder
Umtanzte den Altar.
Aus wogend
grünen Binsen-
Trat sie hervor und schwang-
Den himmelblauen Schleier
Im sùßen Orgelklang.
Im Banne dieses Bildes erzitterte mein Herz.
Wie hat es mich ergriffen und zog mich
Himmelwärts.
(Zeichnung und Text von unserem MItglied KS)
Wer kennt denn nicht Mattilde.
Die wunderschöne Maid.
Sie gleicht ganz einem Bilde
Aus ferner Märchenzeit
In Sasel an der Saselbek,
Da steh'n die Herrn Spalier
Und lauern hier ab jeder Eck..
Ob sie wohl kommt hierfür .
Aus Bergstedt ist's der Müllerssohn.
Aus Ohlstedt kam der Heinrich schon.
Selbst Ritter Hennys Spross
Erschien ganz hoch zu Roß.
Aus allen Dõrfern viele,
sie scheuten keine Müh,
Nur mit dem einen Ziele
Zu freien sie recht früh.
Darüber geht die Mär
Wer wohl der Sieger wär.
(Zeichnung und Text von unserem Mitglied KS)
Drecksack kann man leicht erkennen,
und man braucht nicht weit zu rennen:
Geht man heut´durch uns´re Straßen-
Winkel , Wege oder Gassen-
häuft sich Müll in allen Ecken.
Das kann schon den Ekel wecken!
Jeder läßt hier etwas fallen
und so kommt es ,daß sich ballen-
Dosen, Flaschen,und Papier,
als gäb´s keine Körbe hier.
Vollgeschmiert,das darf nicht sein-
Wände ,Schilder und Gestein-
Bänke, und auch heil´ge Stätten
Nichts kann sich vorm Schmierfink retten
an der Bahn und unter Brücken,
will der Schmierfink uns entzücken!
Kirchen sind auch nicht gefeit-
vor des Wahnsinns Schmierenkleid.
Und der Haudrauf erst ,der Held-
schlägt in Stücke gern die Welt.
Muß zertrümmern und zerschlagen-
allem geht es an den Kragen!
Was nicht niet und nagelfest
das ist ihm ein Freudenfest.
Etwas treibt ihn zu zerstören,
was den andern mag gehören-
oder was für alle da-
das ist für ihn wunderbar
(Zeichnungen und Text von unserem Mitglied KS).
Reise bis ans Ende der Welt 1787
Vorspann
Sie sind in Poppenbüttel. Auf dem Hohenbuchen-Anwesen von Herrn Hinrich Christian Olde. Wir schreiben das Jahr 1787. Es ist Sommer und heiß. Es trug sich folgende Geschichte zu. Entnommen dem Buch "Die Geschichte von Poppenbüttel" von Angelika Rosenfeld S.56ff. Ihre Geschichte basiert auf den Reiseerzählungen von Jens Baggesen aus dem Jahre 1789. Lesen Sie und lassen Sie Ihre Phantasie spielen ...
Das Gedicht
An der Alster schönem Lauf,wo die Furt einlädt-
Lag einst Oldes Mühlenhof,heut ist er verweht.
Hohe Herren speisten dort ,am Septembertag-
Ihre Namen sind bekannt, wer sie hören mag.
Claudius Matthias, der Baggesen Jens —
Tafelelten dort üppig, Wein und kühles Flens.
Dr. Mummsen und auch Frau waren dort zugegen,
Und man plante eine Fahrt, auf den Wasserwegen
Eine Reise auf dem Fluß zu dem "Weltenende"
Plante Claudius spontan,ob das Beifall fände?
Mit dem Boot hinauf , der Gedanke reifte,
Lustpartie der Fantasie um die Alsterschleife.
Oldes Mohr, Leander hieß, stakte vorn den Kahn-
Hassan -Pascha , Oldes Hund saß mit vorne an.
Sonnenschirme, Schnupftabak, waren mit an Bord.
" Seekarten "- , das ist wohl klar, zu finden jeden Ort.
Ersteinmal, man dacht es schon, kam dort "Afrika"-
Reiseführer Claudius wähnt 'n Äquator nah.
Heiß und heiter ging es weiter, bis Guinea kam-
Und den Tieren und den Menschen ihre Flöhe nahm.
Ungeziefer jeder Art,lautet der Bericht ,
Verlassen hier Matrosen schnell und überleben nicht .
Hassan-Pascha, Hundmatrose war das Exemplar-
Das, als Claudius untersuchte, ohne Flöhe war.
Als nun die Äquatorsonne heiß und heißer brannte,
Taucht man Füße in die Flut von des Bootes Kante
Nur die Herren durften dies,Frauentugend war-
Füße zu verbergen , vor der Männerschaar.
Weiter ging die kühne Fahrt, zu fernem Gestade-
Da war schon der Tafelberg, vorn am Kap gerade.
An der frischen Quelle, die daraus entsprang-
Löschten alle ihren Durst, denn der Tag war lang!
Mit den Hüten ,die aus Filz,schöpften sie das Naß,
Reihum labten alle sich, hatten reichlich Spaß.
Danach ging es weiter ‚Richtung Osten zu-
Schaut-da war schon Ceylon-dort war man im Nu.
Am Strande saß ein Mädchen aus dem Ceylonland-
Und wo blieb nur der ersehnte ,weiße Elefant?
Den Domkirchturm zu Mekka,Baggesen hat erblickt-
Er war zum "Hohen Berge" dafür vorausgeschickt.
Doch gab es in der Runde darum schon das Problem-
Wie kann man denn von Ceylon aus, den Turm von Mekka seh'n?
Am Ende dieser Reise lief das Boot auf Land!
Da warf man zur Erleichterung den Hund schnell in den Sand.
Und der Mohr Leander, als Bootsmann wunderbar-
Entfloh nun auf dem Landweg, was auch bequemer war.
Das Ende war der Anfang, der Unterschied nur klein.
Was fern ist, war doch näher, als man sich bildet ein.
Statt weißer Elefanten, gab's vielmehr Bäume hier.
Es brachte diese Lustfahrt doch allen viel Pläsier.
(Text und Zeichnungen von unserem Mitglied KS)
Hoffnung
Emanuel Geibel (1815-1884)
Und dräut der Winter noch so sehr
Mit trotzigen Gebärden,
Und streut er Eis und Schnee umher,
Es muss d o c h Frühling werden.
Und drängen die Nebel noch so dicht
Sich vor den Blick der Sonne,
Sie wecket doch mit ihrem Licht
Einmal die Welt zur Wonne.
Blast nur ihr Stürme, blast mit Macht,
Mir soll darob nicht bangen,
Auf leisen Sohlen über Nacht
Kommt doch der Lenz gegangen.
Da wacht die Erde grünend auf,
Weiß nicht, wie ihr geschehen,
Und lacht in den sonnigen Himmel hinauf,
Und möchte vor Lust vergehen.
Sie flicht sich blühende Kränze ins Haar
Und schmückt sich mit Rosen und Ähren,
Und lässt die Brünnlein rieseln klar,
Als wären es Freudenzähren.
Drum still! Und wie es frieren mag,
O Herz, gib dich zufrieden;
Es ist ein großer Maientag
Der ganzen Welt beschieden.
Und wenn dir oft auch bangt und graut,
Als sei die Höll' auf Erden,
Nur unverzagt auf Gott vertraut!
Es muss d o c h Frühling werden.
----------------------------------------------------------------
Dieses Gedicht musste ich als Schüler auswendig lernen
und habe bis heute meine Freude daran. Dieter Held
Der Lotse
Ludwig Giesebrecht
"Siehst du die Brigg dort auf den Wellen?
Sie steuert falsch, sie treibt herein
und muss am Vorgebirg zerschellen,
lenkt sie nicht augenblicklich ein.
Ich muss hinaus, dass ich sie leite!"
"Gehst du ins offne Wasser vor,
so legt dein Boot sich auf die Seite
und richtet nimmer sich empor."
"Allein ich sinke nicht vergebens,
wenn sie mein letzter Ruf belehrt:
Ein ganzes Schiff voll jungen Lebens
ist wohl ein altes Leben wert.
Gib mir das Sprachrohr, Schifflein, eile!
Es ist die letzte, höchste Not!." -
Vor fliegendem Sturme gleich dem Pfeile
hin durch die Schären eilt das Boot.
Jetzt schießt es aus dem Klippenrande!
"Links müsst ihr steuern" hallt ein Schrei.
Kieloben treibt das Boot zu Lande,
und sicher fährt die Brigg vorbei.
------------------------------------------------------
Auch dieses Gedicht hat mich sehr beeindruckt!
Dieter Held
Liebe Vereinsmitglieder:
Sie haben vielleicht in der Vereinszeitung (Ausgabe 2022/3 - S. 10 über TIDE und dem Hyperlokaljournalismus gelesen.
TIDE ist ein Bürgersender, gestaltet von Bürgern und bringt auch einmal in der Woche ein Gedicht.
Für Interessierte hier der Link:
6:30 Gedicht der Woche
"dieser Woche:
der Wasserträger HUMMEL"
Programm wechselt wöchentlich
Bitte! den Wochenanfang als Datum auswählen!
aus. Es lohnt sich!
Trost
Tröste dich, die Stunden eilen,
Und was all dich drücken mag,
Auch die schlimmste kann nicht weilen,
Und es kommt ein andrer Tag.
In dem ew'gen Kommen, Schwinden,
Wie der Schmerz liegt auch das Glück,
Und auch heitre Bilder finden
Ihren Weg zu dir zurück.
Harre, hoffe. Nicht vergebens
zählest du der Stunden Schlag:
Wechsel ist das Los des Lebens,
Und - es kommt ein andrer Tag.
Theodor Fontane
(Gehört auf der bewegenden Trauerfeier für unseren Vereinskollegen Volkert Joerss.) Günther Quaas
Gedicht des älter werdenden Mensch
Oh Herr, Du weißt besser als ich,
dass ich von Tag zu Tag älter
und eines Tages alt sein werde.
Bewahre mich vor der Einbildung,
bei jeder Gelegenheit und zu jedem Thema
etwas sagen zu müssen.
Erlöse mich von der großen Leidenschaft,
die Angelegenheiten anderer ordnen zu wollen.
Lehre mich, nachdenklich, aber nicht grüblerisch,
hilfreich, aber nicht diktatorisch zu sein.
Bei meiner ungeheuren Ansammlung von
Weisheit erscheint es mir ja schade,
sie nicht weiterzugeben – aber Du verstehst o Herr,
dass ich mir ein paar Freunde erhalten möchte.
Bewahre mich vor der Aufzählung endloser
Einzelheiten und
verleihe mir Schwingen, zur Pointe zu gelangen.
Lehre mich schweigen über meine Krankheiten
und Beschwerden.
Sie nehmen zu, und die Lust, sie zu beschreiben,
wächst von Jahr zu Jahr.
Ich wage nicht, die Gabe zu erflehen,
mir die Krankheitsschilderungen anderer
mit Freude anzuhören, aber lehre mich,
sie geduldig zu ertragen.
Lehre mich die wunderbare Weisheit,
dass ich mich irren kann.
Erhalte mich so liebenswert wie möglich.
Ich möchte kein Heiliger sein – mit ihnen lebt es sich so schwer -,
aber ein alter Griesgram ist das Krönungswerk des Teufels.
Lehre mich, an anderen Menschen unerwartete
Talente zu entdecken, und verleihe mir o Herr,
die schöne Gabe, sie auch zu erwähnen.
(Unser Mitglied KS: von Teresa von Avila 1515-1582)
Im Park
Ein ganz kleines Reh stand am ganz kleinen Baum
still und verklärt wie im Traum.
Das war des Nachts elf Uhr zwei.
Und dann kam ich um vier morgens wieder vorbei.
Und da träumte noch immer das Tier.
Nun schlich ich mich leise - ich atmete kaum
- gegen den Wind an den Baum
und gab dem Reh einen ganz kleinen Stipps.
Und da war es aus Gips.
Joachim Ringelnatz
Karneval
Was sind das für Masken,
die einander Fröhlichkeit heucheln?
Unendliches Gezwitscher fliegender Worte,
die so schnell vergessen sind.
Rauschende Töne,
blecherne Stimmen
und um jeden Preis gute Laune.
Schauspiel der Freiheit.
Hüpfende Gestalten drängen sich um die Musik,
und immer wird getanzt,
getanzt um den Abgrund,
der verführerisch lockt
mit seiner Tiefe.
Die Stunden fliegen,
weil sie so kurz sind,
viel zu kurz für lachende Masken.
Das Blut kocht in den Adern,
Temperament entflieht seiner Hülle;
und noch ein Tusch
berauscht die Menge.
Wenn der Morgen graut,
schleppen sich Geister durch die Stille,
sehnen sich nach Ruhe.
Wie eine Explosion
hat sich die Seele entladen
von dem, was bedrückt
und belastet.
Nun ist sie wieder frei
für neue Sorgen,
die der Alltag bringt.
Doch schluckt sie viel, unendlich viel
Und erwartet mit brennendem Verlangen
den nächsten Mummenschanz.
Versteckt hinter einer Maske
wird das Selbst verborgen,
damit es frei wird.
Ute Mielow-Weidmann
Liebe
Die Liebe ist ein seltsam‘ Ding:
Zwei Herzen haben sich gefunden.
Und das Symbol: Es ist ein Ring,
er soll Verbundenheit bekunden.
Wenn Liebe aufgeflammt im Herzen,
dann ist zu halten sie nicht mehr,
man liebt mit Freuden und mit Schmerzen,
beschwört die Sterne, Mond und Meer.
Liebe verdreht Kopf und Magen,
man mag nichts essen, mag nichts sagen,
doch hat das Wörtchen „Liebe“ Klang,
man füllt damit Gedicht und Sang,
freut sich daran, singt laut oder leise,
in schneller oder langsamer Weise.
Wie alles vergeht, so vergeht auch die Liebe,
die einst so flammend im Herzen geglüht.
Der Traum war schön, verlangend die Triebe,
doch leider ist nun alles verblüht.
Die Größe des Herzens, sie gähnt vor Leere,
sie sehnt sich nach anderem, stillerem Glück,
wenn alles noch einmal wie damals wäre,
nur einmal noch, ganz kurz, zurück.
Ute Mielow-Weidmann
Von Victor Hugo
Mann Frau
Der Mann ist die höchste der Kreaturen,
die Frau das erhabenste der Ideale.
Gott machte für den Mann einen Thron,
für die Frau einen Altar.
Der Thron preist,
der Altar heiligt.
Der Mann ist das Gehirn, die Frau das Herz.
Das Gehirn erzeugt Licht, das Herz die Liebe.
Das Licht befruchtet, die Liebe erweckt.
Der Mann ist ein Genie, die Frau ein Engel.
Das Genie ist der höchste Ruhm, das Bestreben der Frau die äußerste Tugend.
Der Ruhm drückt Größe aus, die Tugend Göttlichkeit.
Der Mann hat Überlegenheit, die Frau das Vorrecht.
Die Überlegenheit bedeutet Macht, das Vorrecht bedeutet Recht.
Der Mann ist stark durch den Verstand, die Frau unbesiegbar durch die Träne.
Der Verstand überzeugt, die Träne bewegt.
Der Mann ist jeder Heldentat fähig, die Frau jeder Opfertat.
Der Heldenmut adelt, die Opfertat erhebt.
Der Mann ist das Gesetz, die Frau das Evangelium.
Das Gesetz verbessert, das Evangelium vervollkommnet.
Der Mann ist ein Tempel, die Frau ein Heiligtum.
Vor dem Tempel entblößen wir uns, vor dem Heiligtum knien wir nieder.
Der Mann ist ein Ozean, die Frau ein See.
Der Ozean hat die Perle, die ihn schmückt, die See hat die Poesie, die ihn betört.
Der Mann ist der Adler, der fliegt, die Frau die Nachtigall, die singt.
Fliegen heißt, den Raum beherrschen, singen heißt, die Seele erobern.
Der Mann hat eine Leuchte, das Gewissen, die Frau einen Stern, die Hoffnung.
Die Leuchte leitet, die Hoffnung rettet.
Kurz,
der Mann steht, wo die Erde endet,
die Frau, wo der Himmel beginnt.
Straßenlied
Die Straße – grau und schwarz, wie sie scheint,
hat einst mich mit meinem Glück vereint,
wie hell war sie doch, als wir uns fanden
und verliebt unter der Laterne standen.
Nun ist sie leer, die Straße, und grau.
Wie wehten damals die Winde lau.
Sie sind jetzt so stürmisch, so kalt und so eisig,
dort drüben zwitscherte damals ein Zeisig.
Ich hör‘ ihn nicht mehr.
Oder zwitschert er noch?
Die Straße ist leer.
Oder war er es doch?
Die Luft ist so kalt, so hart wie Stahl,
die Straße verlassen. Ich werde jetzt geh’n.
Er kommt nicht wieder, es war einmal,
und doch war es schön.
Ute Mielow-Weidmann
Lieblingsgedicht unseres Mitgliedes KS:
Sieh! Es erfüllt sich jeden Augenblick
Des Weltalls unbegreifliches Geschick,
Daß Gott aus seinem Himmel niedeschwebt
und als Gestalt sich aus der Erde hebt.-
Woher denn hat das Gras den leisen Laut,
Was zuckt wie Augenfeuer,ruht es übertaut?
Wie kommt's, das Wasser mit Gemurmel gehn
Durch Wiesen, daß du glaubst sie zu
verstehn?
Und rührt der Wind dem Baume Ast um Ast,
Erschrickst du oft, als winkte er dir fast.
In Nächten braust der Wald, als zög vorbei
Ein Kriegsheer mit verworrenem Geschrei.
Der Sang der Vögel rührt dich seelentief,
Als ob er dich mit eigner Stimme rief,
und aus dem Blick der Tiere mit Gewalt
Faßt dich verwunschen eigene Gestalt.Des Lebenswogen brausten
Und fegten über mich.
Ein Kind ward mir geboren-
Mein Mann ließ mich im Stich.
Der Tod hat ihn genommen -
Sechs Jahre ist es her.
Die Tochter ist mir Freude,
Und wird es täglich mehr.
Was niemals sprechbar, nie durchs Wort
gebannt,
Als ew'ger Traum sich überm Geiste spannt,
Schaust du in tausend Bilder ausgedrückt.
Du nennst es stammelnd Gott und bist
entzückt.
Stehr
Eigenes Herbst-Gedicht unseres Mitgliedes KS
Die Tage im September ergreifen stets mein Herz-
Sie brachten so viel Freude,
doch gleichfalls so viel Schmerz.
Das Leben und den Tod erbrachten
sie zugleich.
Sie machten mich viel ärmer-
Und auch unendlich reich.
Des Lebenswogen brausten
Und fegten über mich.
Ein Kind ward mir geboren-
Mein Mann ließ mich im Stich.
Der Tod hat ihn genommen -
Sechs Jahre ist es her.
Die Tochter ist mir Freude,
Und wird es täglich mehr.
Jugendgedicht unseres Mitgliedes UMW
Sommervergehen
Ein kühler Abendhauch verweht
die letzte warme Sommerluft;
wir fühlen es, die Zeit vergeht,
leis‘ nähert sich die leere Gruft.
Der blaue Himmel wurde grau,
ein Grau von Wolken, dunstgefüllt,
es regnet, nieselt, leise, lau,
es hört nicht auf, wird nie gestillt.
Und langsam wandelt jedes Grün
sich in eine flammend‘ Rot;
ein letztes Leuchten, dann stirbt es hin
in seinen kurzen Tod.
Man möcht‘ den Lauf der Zeiten halten,
wünscht sich noch ein paar Tage Lichtschein nur.
Indes, der Herrgott will es walten
Und zeigt uns eine andere, schöne Natur.
Wir sollen alles lieben lernen,
Licht und Sonne, Schnee und Wind,
die Sommernacht und glitzernde Sterne,
die Winter auch, so, wie sie sind.
Lieblingsgedicht unseres Mitgliedes GQ
Flügelt ein kleiner blauer
Falter vom Wind geweht,
Ein perlmutterner Schauer,
Glitzert, flimmert, vergeht.
So mit Augenblicksblinken,
So im Vorüberwehn
Sah ich das Glück mir winken,
Glitzern, flimmern, vergehn.
Hermann Hesse 1927