Hamburg Bau

 Das Poppenbüttler Bauensemble Hamburg Bau `78 ist jetzt ein Denkmal.

eine Analyse von  unserem Mitglied Harald Clemens

Neben den bereits 28 vorhandenen Poppenbüttler Denkmälern wurde nunmehr auch das vor 45 Jahren fertiggestellte Ensemble der Hamburg Bau mit 221 Häusern in die Denkmalschutzliste eingetragen. Hiermit ist gesetzlich die Denkmaleigenschaft festgestellt. Der Schutz umfasst i. d. R. das Denkmal stets als Ganzes und somit auch das Gebäudeinnere. Ein Bauensemble erhält seinen Denkmalcharakter in Verbindung der vorhandenen (Bau-)Objekte durch eine übergreifende Komponente, zusammenhängende Idee, einheitsstiftendes Merkmal oder als Träger einer geschichtlichen Idee.


Beim Ensemble Hamburg Bau `78 handelte es sich um ein modellhaftes Einfamilienhaus-Förderprogramm der Stadt Hamburg für 221 Häuser unter dem damaligen Bausenator Rolf Bialas. In seiner Amtszeit setzte der Senator bundesweit die Erstellung des Mietenspiegels durch und installierte zusätzlich einen staatlichen Förderweg für Wohnungseigentum. Die Einwohnerzahlen Hamburgs nahmen in dieser Zeit ab, denn aus Kostengründen suchten viele junge Mittelschichtsfamilien im städtischen Speckgürtel nach einem geeigneten Grundstück. Vorher gab es lediglich den aus der Nachkriegsgeschichte bekannten „ersten“ Förderweg im sog. Sozialen Wohnungsbau. Im Rahmen einer Bauausstellung und mithilfe namhafter Planer- und Architekturbüros warb die Stadt Hamburg für attraktiven und finanzierbaren Eigenheimbau. Als Gestaltungsprämisse galt es über das Spektrum von Einzel-, Stadt-, Reihen-, Ketten- und Gartenhofhäusern innerhalb eines Quartiers einen Überblick des „modernen Bauens in den späten 70ern“ abzubilden. Dies sollte mit einer geringen Grundstücksfläche und geringem Flächenverbrauch gelöst werden. Der Finanzierungsweg fand in Zeiten einer Hochzinsphase um das Jahr 1978 statt. Während in dieser Zeit eine Finanzierung über den freien Geldmarkt zwischen 5,5 – 6 % für eine langfristige Hypothek nötig machte, war das öffentlich finanzierte KfWDarlehen, Laufzeit 30 - 35 Jahre, mit 3,5 % Zinsen versehen. Als zusätzliche KfWFörderung erfolgte bei den vorliegenden Voraussetzungen eine Förderung je m² und zukünftiger Bewohner/in für 17 Jahre, mit einer damaligen Höchstverdienstgrenze von 32.000 DM (= Aufwendungsdarlehen). Unter Berücksichtigung des Verbraucherpreisindex, 2-Personen-Haushalt/altes Bundesgebiet, zwischen 1978 – 2022, wären dies heute 42.600 €.


In Hamburg werden jährlich um die 85 Objekte in diese Liste aufgenommen. Nach diesem in den meisten Bundesländern üblichen Verfahren, dem sog. Ipsa-legePrinzip, kann eine Überprüfung der festgestellten Denkmaleigenschaft durch eine Normenkontroll- oder Feststellungsklage erfolgen. Mit dieser Feststellung sind nicht alle der betroffenen 221 Eigentümer/innen einverstanden, weshalb hierzu eine Petition an die Hamburgische Bürgerschaft auf den Weg gebracht wurde. Eins teilt sich daher in Zwei: Hier liegt ein klassischer Konflikt zwischen hoheitlichem Handeln und dem von der Zivilgesellschaft eingefordertem Transparenzgebot vor. Wobei umgekehrt nicht selten auf Seiten der Zivilgesellschaft der Reflex „not in my backyard“ anzutreffen ist. „Gegen ein Denkmal habe ich nichts einzuwenden, aber bitte nicht in meiner Nachbarschaft!“ Die Auffassungen über die zumutbaren Folgekosten und das Kunstverständnis der Beteiligten, nicht selten im skeptischen oder ironischen Sinne eines Karl Valentin, „Kunst kommt von können, nicht von wollen, …“, sind bei der Beurteilung von Denkmaleigenschaften oft sehr gespreizt.


In der Tat stellt sich für die Besitzer/-innen eines Denkmals ab Eintrag in die Denkmalschutzliste ein hoch komplexer Verabredungs- und Regelungskomplex dar. Mit der erfolgten Unterschutzstellung wird das Denkmal, hier das Ensemble, den Sondervorschriften des Gesetzgebers unterworfen. Für den Status-Quo gilt der Bestandsschutz. Für die Durchführung von Maßnahmen, wie Farbgestaltungen, Grundinstandsetzungen für den Erhalt, Investitionen in den nachhaltigen Klimaschutz, Umbauten u. Ä. muss jeweils eine denkmalgerechte Erlaubnis eingeholt werden. All das ist möglicherweise in Ordnung. Nur - erst im Zuge einer Antragstellung kommen die Rechte für die Besitzer/-innen des Denkmals ggü. dem Bau- oder Denkmalschutzamt zum Tragen. Der Korridor für den sehr hohen Ermessensspielraum zur abschließenden Entscheidung liegt ganz überwiegend „beim Amt“ und kann unter gesinnungsethischen Aspekten auch im Grenzbereich von Willkür stattfinden. Der externe Blick durch Dritte, im Sinne des Vier-AugenPrinzips, fehlt. Die einzig operable Grenzziehung für die Eigentümer/-innen eines Denkmals „stellen die Grenzen im Gebrauchswert und dem hieraus erzielbaren Ertrag“ aus der Denkmalnutzung dar (vgl. Denkmalschutzamt). Nur zur jeweiligen Detailierung der Grenzen eines Gebrauchswerts gibt es hier wenige Ausführungen. Wie lässt sich der „erzielbare Ertrag“ bei diesem Ensemble finanziell quantifizieren, wo es sich bei seiner Nutzung ausschließlich um genutzte Eigentums- und/oder MietWohnungen handelt. Am Ende aus den Vermieter- oder fiktiven Mieterlösen. In diesen Sachverhalten ist bisher eine Bringe-Schuld der öffentlichen Entscheidungsträger/-innen unerfüllt geblieben.


Der Denkmalschutz ist richtig, wichtig und orientiert sich nicht ausschließlich über die Lufthoheiten von Experten- und Expertinnenwissen, Stammtischen und/oder Internetsprechblasen. Umso mehr verpflichtet es die beteiligten hoheitlichen Entscheidungsträger/-innen mit dem Privileg des letzten Wortes sehr sparsam umzugehen und viel früher die ins Auge gefassten Eigentümer/-innen des Denkmals vor Eintrag in die Denkmalschutzliste einzubeziehen. Die oft vorzufindende Ungleichbehandlung bei der Unterschutzstellung privater oder öffentlicher Eigentümer/-innen zerstört das notwendige Vertrauen nachhaltig. Solange das Primat der Offenheit auf Seiten der Hoheitsträger und Denkmalbesitzenden nicht gepflegt wird, kann es keine den Denkmalinteressen zugewandte Erörterungskultur geben. Die Abwägungen öffentlicher und privater Interessen müssen viel deutlicher in den Entscheidungs- und Abstimmungsprozessen geregelt sein. Die Standards, Vorgaben und das Regelwerk innerhalb der Handlungsbereiche sind hierfür vollkommen unzureichend! Desgleichen sollte ein Verbandsklagerecht eingeführt werden.


Harald Clemens 

Share by: